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13. August 2021

Der Zwilling kommt

Der digitale Logistikzwilling des Walzwerks von Dillinger

Wer hätte nicht manchmal gerne einen Doppelgänger, der einem Unangenehmes wie einen Arztbesuch oder eine lange Autofahrt abnimmt? Diese Vorstellung ist – zum Glück – nur in Science-Fiction-Filmen möglich. Beim Erlernen von praktischen Erfahrungen sieht es schon anders aus. Hier ist die Verwendung digitaler Zwillinge eines realen Objektes seit langem üblich.

So sammelt ein Flugschüler erste praktische Erfahrungen nicht mit einem realen Flugzeug, sondern ganz selbstverständlich im Simulator. Hier kann gefahrlos ausprobiert werden, wie das Flugzeug auf verschiedene Steuerbefehle reagiert und wie Seitenwinden, Turbulenzen usw. zu begegnen ist. Als Passagier kann man dann davon ausgehen, dass der Pilot nicht mal eben auf einem Linienflug ein Triebwerk abschaltet, nur um auszuprobieren, wie sich das Flugzeug dann verhält – er aber dennoch genau weiß, was zu tun wäre, wenn ein Triebwerk ausfällt.

Doppelgänger oder was?

Beim digitalen Zwilling, oft auch digital twin genannt, handelt es sich um eine virtuelle Darstellung eines Prozesses. Im Wesentlichen basiert diese auf einer Computerprogrammierung, die alle möglichen Prozess-Daten sammelt, um damit durch künstliche Intelligenz und Softwareanalyse eine Simulation zu generieren. Je mehr Input in Form von Daten, umso zutreffender ist die Prognose. Im Fall des Dillinger Walzwerkes fungiert der digitale Logistikzwilling zukünftig als Entscheidungsunterstützungswerkzeug sowohl für die Produktion als auch für den Vertrieb und die strategische Planung.

Wettbewerbsfähige Produktion

Die Herausforderung für die Zukunft heißt für das Walzwerk von Dillinger die Prozessintegration einer immer stärker wachsenden Produktvielfalt mit stetig steigenden Qualitätsanforderungen. Damit einhergehen immer größere Fertigungstiefen und komplexere Verzweigungen der Bleche im Walzwerk und in der Vergütung bei gleichzeitig sinkenden Losgrößen. Eine weitere Herausforderung ist das Projektgeschäft und die zunehmend stärkeren Schwankungen in den einzelnen Produktsegmenten.

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss Dillinger für die Zukunft eine hochindividuelle Produktion mit einem vielfältigen Produktmix und hohen Durchsatz gewährleisten.

Der virtuelle Doppelgänger

Mit der Vielzahl an Bearbeitungsstationen und verschiedenartigen Transportmöglichkeiten zwischen diesen ist die Produktionsplanung im Walzwerk von Dillinger nicht mehr mit herkömmlichen Methoden kosteneffizient steuerbar.

Für das Projekt „Digitaler Logistikzwilling“ wurden daher alle vorhandenen Produktionsschritte und deren Abhängigkeit untereinander in einem mathematischen Modell anhand von Daten und Algorithmen abgebildet. Neben der Bedienzeiten an den jeweiligen Maschinen wurden auch die verfügbaren Lagerflächen, Abhängigkeiten durch Transporte sowie Kosten, die an den jeweiligen Stationen in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Produkttypen anfallen, berücksichtigt.

Kosten, Anlagenbelastungen und Durchlaufzeiten simulieren

Der digitale Logistikzwilling ist somit das digitale Abbild der Walzwerklogistik und verbindet die reale mit der virtuellen Welt. Damit kann im Vorfeld analysiert werden, ob ein Auftrag zu einem Preis X wirtschaftlich sinnvoll ist, in welcher Reihenfolge definierte Aufträge am besten in den Produktionsprozess eingetaktet werden sollen und in welcher Lastsituation welche möglichen Verzweigungen eines Produktes innerhalb der Fertigung am sinnvollsten sind. Entsprechend werden auch Produktionsengpässe identifiziert. So können zukünftig auch strategische Investitionsentscheidungen auf dem digitalen Logistikzwilling basieren.

Mit all diesen Möglichkeiten wird er zu einem wichtigen Entscheidungsunterstützungswerkzeug sowohl direkt in der Produktion als auch für den Vertrieb und das Management.

Planungssicherheit erhöhen, Investitionen absichern

Die Entwicklung des „Digitalen Logistikzwilling“ startete 2017. Als Grundlage dienten im Rahmen der Industrie-4.0-Ertüchtigung im Walzwerk erhobene Produktionsdaten. In einem ersten Schritt sollte er dazu genutzt werden, einen kostenoptimalen Produktmix zu bestimmen.

In diesem Jahr erfolgt nun der zweite Schritt. Hierbei werden weiterreichende Optimierungsfragestellungen zur Prozessoptimierung im Walzwerk, zur Abwägung von Investitionsentscheidungen und zu einer direkteren Verbindung von Fertigung und Vertrieb gestartet.